Jaume Flexas ist ein renommierter Wissenschaftler. | Ultima Hora

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Der Mallorquiner Jaume Flexas zählt zu den bedeutendsten Wissenschaftlern Spaniens und den meistzitierten Forschern weltweit auf dem Gebiet der Pflanzenphysiologie. Der Professor der Balearen-Universität untersucht insbesondere, wie Pflanzen auf Umweltstress und klimatische Extrembedingungen reagieren. Dazu leitete er Expeditionen in die Antarktis, den Himalaya und die Anden, von wo er gerade zurückgekehrt ist. MM hat Jaume Flexas zu seiner Arbeit befragt.

Mallorca Magazin:Wie sieht ein Tag eines Pflanzenforschers in den Hochanden aus, Herr Professor Flexas?
Jaume Flexas:Ziemlich verrückt, die meiste Zeit verbringen wir mit Logistik, weil es da oben ja nichts gibt. Wir schauen, wie wir Material bekommen, das wir nicht mit dem Flugzeug transportieren können, etwa Batterien für die Stromversorgung unserer Instrumente, oder Nahrungsmittel. Ansonsten bin ich den ganzen Tag draußen und nehme Messungen an Pflanzen vor.

MM:Sie forschen, wie sich Pflanzen an Extrembedingungen anpassen. Können Sie ein Beispiel dafür geben?
Flexas:Da Pflanzen sich nicht fortbewegen können, wirken oft viele Belastungen gleichzeitig auf sie ein, etwa Wassermangel, Sonneneinstrahlung und Hitze. Ihre Stressreaktion zielt darauf ab, ihr Überleben zu sichern, was sich negativ auf den Ertrag auswirkt. Zum Beispiel neigen Pflanzen bei Wassermangel oder übermäßigem Salzgehalt dazu, ihre Stomata zu schließen (Stomata sind Poren in den Blättern, die für die Regulierung des Wasserhaushalts durch Verdunstung und für den Gasaustausch verantwortlich sind, Anmerkung der Redaktion). Dadurch vermeiden sie Wasserverlust, können aber auch weniger Photosynthese betreiben und darum weniger oder gar nicht wachsen. An Orten, an denen dieser Umweltstress stark und konstant ist, suchen Pflanzen nach Alternativen, die ihnen das Wachstum ermöglichen. Zum Beispiel bilden sie sehr tiefe Wurzeln aus, mit denen sie das Wasser im Untergrund erreichen können. Manchmal ist das erst in fünfzig Metern Tiefe der Fall.

MM:Warum ist es wichtig, diese Reaktionen zu erforschen?
Flexas:Wir können von diesen Pflanzen lernen, um ihre Resistenzmechanismen auf andere Arten zu übertragen und die Erträge zu erhöhen. Die Pflanzen, die wir heute anbauen, unterliegen zunehmend widrigeren Umweltbedingungen, das heißt mehr Stress. Daher neigen sie dazu, weniger zu produzieren. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung rasant an, sodass wir mehr Menschen mit schlechteren Erträgen ernähren müssen. Bald wird es nicht mehr genug Nahrung für alle geben, denn die Anbaugebiete sind begrenzt.

MM:Ist das Problem nicht die Nahrungsmittelverschwendung?
Flexas:Das ist ein großes Problem. Trotzdem, wenn wir die weltweite Gesamtproduktion durch die bald neun Milliarden Menschen auf der Erde teilen, kommen wir kaum auf 2000 Kalorien pro Tag und Person. Wir sind bereits an der Grenze, nicht alle ernähren zu können.

MM:Es gibt auch Initiativen wie vertikale Landwirtschaft, also den Anbau in mehrstöckigen Gebäuden.
Flexas:Auf lokaler Ebene kann das vielerorts eine gute Lösung sein, aber im Großen ist es nicht machbar. Zum einen wären enorme Investitionen nötig, die sich viele Länder wahrscheinlich nicht leisten können. Zum anderen muss genügend Wasser vorhanden sein. Trockenanbau funktioniert bei vertikaler Landwirtschaft nicht.

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MM:Darum Ihre Suche nach widerstandsfähigen Pflanzen?
Flexas:Wir müssen Pflanzen finden oder technisch entwerfen, die stressigen Situationen standhalten und dennoch gute Erträge liefern. Resistenzmechanismen, welche die Evolution bereits eingeführt hat, finden wir in der Antarktis, im Hochgebirge oder in Wüsten.

MM:Meinen Sie, Pflanzen gentechnisch entwerfen? Das lehnt die Bevölkerung ab.
Flexas:Weil sie schlecht informiert ist. Das europäische Gesetz über gentechnisch veränderte Organismen (GVO) definiert ein Produkt als transgen, dem ein Gen manipuliert wurde. Aber Obst oder Gemüse, das mit mutagenen – das heißt Erbgut verändernden – Stoffen bestrahlt wurde, gilt nicht als transgen. Wenn ich also meine Anbausamen chemischen Produkten aussetze, die Mutationen hervorrufen, bin ich nicht verpflichtet, dies als „gentechnisch verändert” zu kennzeichnen, obwohl es das offensichtlich ist. Solche Produkte essen wir jeden Tag.

MM:Warum wird die Bevölkerung nicht aufgeklärt?
Flexas:Ich vermute Interessen dahinter. Als 1996/1997 in der EU das GVO-Gesetz verabschiedet wurde, wurden die meisten GVO in amerikanischen Unternehmen wie Mont-santo hergestellt. Europäische Konzerne wie Bayer oder BASF dagegen entwickelten und vermarkteten Sorten, die durch die Behandlungen mit mutagenen Substanzen gewonnen wurden aber seltsamerweise nicht als transgen galten, sagen Umweltverbände. Wenn dem so war, interessierte es natürlich nicht, die Produkte der Europäer zu kennzeichnen, sondern es war wichtig, Montsanto zu bremsen. Jetzt hat Bayer Montsanto gekauft – und die Vorschriften ändern sich. Aber das ist nur meine Vermutung basierend auf meinen Beobachtungen. Ich habe keine Beweise dafür.

MM:Welche Vorschriften ändern sich?
Flexas:Für Pflanzen, die mit genomischen Techniken wie der Genschere CRISPR-Cas entwickelt wurden, werden in der EU die Vorschriften gelockert. Bei der Genom-Editierung modifiziert man gezielt ein Gen in der Pflanze und verändert sonst nichts.

MM:Forschen Sie auch auf Mallorca? Hier haben die Pflanzen auch immer mehr Stress.
Flexas:Das stimmt, wir beobachten nicht nur einen deutlichen Anstieg der Durchschnittswerte, sondern auch eine Häufung von Hitzewellenepisoden auf den Balearen. Wenn eine Pflanze normalerweise bei 25 Grad lebt und plötzlich eine Hitzewelle von 38 Grad kommt, ist das wahrscheinlich ein viel größerer Stress, als wenn sie dauerhaft höheren Temperaturen ausgesetzt ist. Wir starten gerade ein Forschungsprojekt zu diesem Thema, weil es nur wenige Studien darüber gibt.

MM:Zuletzt ein Ausblick, wie werden sich Landschaft und Landwirtschaft auf Mallorca verändern?
Flexas:Wir werden immer weniger Wälder haben, vor allem weniger Steineichenwälder. Die Kiefern werden besser standhalten können ebenso wie die Küstenvegetation. Die Landwirtschaft wird sich radikal ändern, denke ich. Die Blütezeiten ändern sich, alles ändert sich. Die Hitze an sich ist nicht das Problem, sondern der Wassermangel. Die Dürre nimmt das ganze Jahr über stark zu, deshalb wird es schwieriger werden, Gemüse anzubauen. Viele traditionelle Sorten werden nicht standhalten können und durch andere ersetzt werden, die bisher eher an Nordafrika angepasst waren.

Die Fragen stellte 
Eva Carolin Ulmer